Gemeinsame Presseerklärung der Oberbürgermeisterin und Oberbürgermeister
der kreisfreien Städte in Thüringen:
Kommunaler Finanzausgleich:
Gutachten des Freistaats bestätigt deutliche Unterfinanzierung der kreisfreien
Städte
Seit dem 25. März 2021 liegen der Landesregierung
und dem Landtag ein vom Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales in
Auftrag gegebenes Gutachten zur Überprüfung des vertikalen und horizontalen
Finanzausgleichs vor. Das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut der
Universität Köln (FiFo Köln) stellt darin klar und deutlich fest, dass die
Finanzausstattung der Gemeinden, insbesondere der kreisfreien Städte in Thüringen,
nicht dem verfassungsgemäßen Anspruch genügt und zeigt auf, dass vor allem die
kreisfreien Städte im Vergleich zu den Verwaltungsebenen „Freistaat Thüringen"
und „Landkreise" bisher am schlechtesten finanziert sind.
Nach
diesem Gutachten muss den kreisfreien Städten, ausgehend von der Schlüsselmasse
des Jahres 2019, zum Ausgleich dieser Benachteiligungen in Summe ein Betrag von
mindestens 70 Millionen Euro jährlich mehr zur Verfügung gestellt werden. Da
eine Erhöhung der Schlüsselmasse in 2020/2021 tatsächlich bereits stattgefunden
hat, sind in Anwendung der Berechnungsmethoden des Gutachtens keine weiteren
signifikanten Erhöhungen zu erwarten.
Für die einzelnen
kreisfreien Städte ergibt sich für die Schwerpunktzuweisungen in Form von
Schlüsselzuweisungen zuzüglich des Kulturlastenausgleiches folgendes Bild:
Stadt
|
Ergebnis 2019 IST
(in Mio. €)
|
„Bedarfsgerecht" 2019 SOLL (in
Mio. €)
|
Unterfinanzierung in 2019 (in
Mio.€)
|
Erfurt
|
145,17
|
168,23
|
23,06
|
Gera
|
79,66
|
90,02
|
10,36
|
Jena
|
57,09
|
73,17
|
16,08
|
Suhl
|
21,88
|
26,90
|
5,02
|
Weimar
|
48,72
|
56,28
|
7,56
|
Eisenach
|
29,69
|
35,41
|
5,72
|
Quelle:
FiFo-Gutachten
Das mit
dem Gutachten vorgestellte novellierte Finanzausgleichsmodell wird ausdrücklich
begrüßt, da es für die kreisfreien Städte grundsätzlich in die richtige
Richtung weist. Es kann aber trotzdem nicht vorbehaltlos unterstützt werden,
denn die vorgesehenen höheren Zuweisungen werden weiterhin nicht in allen
Kommunen zur Deckung des Finanzbedarfes ausreichen. Es zeigt sogar für einige
Kommunen zukünftig geringere Zuweisungen als sie derzeit schon erhalten.
Ziel der
Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs muss sein, dass alle Thüringer
Städte, Gemeinden und Landkreise mit einer entsprechenden Finanzausstattung
durch das Land dauerhaft in die Lage versetzt werden, ausgeglichene Haushalte
aufstellen zu können.
Die im
Gutachten zur Ermittlung des Finanzbedarfes verwendeten Faktoren erscheinen zum
Teil insoweit nicht umfassend sachgerecht, als z.B. für viele kommunale
Aufgabenbereiche die Einwohnerzahl anstatt z.B. die Fläche als
bedarfsbestimmender Faktor herangezogen wird. Auch wesentliche Sonderbedarfe
einzelner Kommunen, die sich u.a. aus atypischen Besonderheiten (z.B. der
Ausdehnung eines Stadtgebietes, besonderer Topographie oder aus der historischen
Entwicklung übernommenen Finanzierungspflichten für Einrichtungen mit
überregionalem Charakter) ergeben und nicht aus eigener Kraft finanziert werden
können, müssen im kommunalen Finanzausgleich Berücksichtigung finden.
Mit dem
Gutachten werden die Landesregierung und der Gesetzgeber (Landtag)
aufgefordert, bei der künftigen Bemessung der Höhe der
Finanzausgleichsleistungen des Landes an die Kommunen, insbesondere an die
kreisfreien Städte, die tatsächlichen Aufwendungen im Sozial- und Jugendhilfebereich
deutlich besser abzubilden und zu gewichten. Ausdrücklich wird kritisiert, dass
bei der Bedarfsbemessung die Fallzahlen nur unzureichend berücksichtigt werden.
Schon seit Jahren sorgen die massiven Kostensteigerungen im Sozial- und
Jugendhilfebereich zu einer Unwucht in den kommunalen Haushalten, mit der
Folge, dass nötige Unterhaltungsmaßnahmen und Investitionen in Infrastrukturen
wie Schulen, Straßen und Wege, Gebäude, Investitionen in den Umwelt- und
Klimaschutz, aber auch in freiwillige Leistungen immer mehr zurückgefahren
werden müssen.
Die
kreisfreien Städte fordern die Landesregierung und die Fraktionen im Landtag
auf, ihre Ankündigung einer Umgestaltung des Kommunalen Finanzausgleiches
schnellstmöglich, in einem ersten Schritt bereits im Jahr 2022,
umzusetzen.
Die
coronabedingten Sonderzahlungen des Bundes und des Landes in den Jahren 2020
und 2021 verdecken das bestehende strukturelle Dilemma aller kreisfreien
Städte. Mit Auslaufen dieser Sonderzahlungen zeigen sich massive Deckungslücken
der kreisfreien Städte, die in einzelnen Städten, wie z.B. in Eisenach, Gera
und Suhl bereits seit Jahren mit unterschiedlicher Ausprägung bestehen und
diskutiert werden.
Die
Aufstellung der Haushalte und damit die Handlungsfähigkeit der kreisfreien
Städte ist konkret in Gefahr.
Andreas Bausewein, Oberbürgermeister Landeshauptstadt Erfurt:
"Die Studie des
Innenministeriums beweist, was wir seit Jahren wissen. Die kreisfreien Städte
sind grandios unterfinanziert. Wir wollen keine Extrawürste gebraten haben. Wir
wollen nur, was uns zusteht."
Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb
betonte: „Die Stadt Gera begrüßt das vom Land beauftragte Gutachten, da es doch
aufzeigt, dass die Gemeinden gegenüber dem Land und den Landkreisen bisher am
schlechtesten finanziert sind. Wir können kann dem Gutachten in der
vorliegenden Form jedoch nicht in seiner Gesamtheit folgen, da Gera als einzige
kreisfreie Stadt geringere Schlüsselzuweisungen für die kreislichen Aufgaben
erhalten würde. Die Landesregierung sollte in einem ersten Schritt die
Zahlenbasis - welche dem Gutachten zugrunde liegt - aktualisieren lassen, um
darauf die Berechnungen neu aufzusetzen. Mit dem Ziel zukünftig ausgeglichene
Haushalte aufstellen und handlungsfähig bleiben zu können, fordere ich
signifikante Änderungen im Finanzausgleich."
"Das Gutachten adressiert
eine überaus wichtige Gerechtigkeitsfrage: die Konnexität. Die
Finanzausstattung der Kommunen ist nur dann angemessen, wenn sie im Einklang
steht mit den Aufgaben, die von den Kommunen übernommen werden. Das Gutachten
zeigt, dass es da deutliche Schieflagen gibt, und zwar sowohl im Vergleich der
kommunalen Ebene mit der des Landes, als auch innerhalb der kommunalen Familie
im Vergleich zwischen den Gemeinden und den Kreisen. Nachdem dies nun so klar
offen liegt, ist es politisch nicht länger zu verantworten, wenn das nicht
korrigiert wird." Dr. Thomas
Nitzsche, Oberbürgermeister der Stadt Jena.
Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine zeigt
sich positiv überrascht, dass ein von der Landesregierung selbst in Auftrag
gegebenes Gutachten zu solch deutlichen Ergebnissen kommt: „Auch wenn der
Kommunale Finanzausgleich eine sehr schwierige und trockene Materie ist: Für
die Kommunen ist eine angemessene und bedarfsgerechte Finanzausstattung
überlebenswichtig. Mit einer schnellen Umsetzung der Gutachterergebnisse kann
im Sinne einer partnerschaftlichen und fairen Mittelaufteilung endlich eine
Planungssicherheit für die nächsten Jahre geschaffen werden."
Katja Wolf, die Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach,
hebt hervor: „Mit dem Gutachten wird die Notwendigkeit einer auskömmlichen
Finanzierung der Kommunen unterstrichen, was ich begrüße. Gerade diejenigen
Kommunen, die als Mittelzentren mit oberzentralen Funktionen eine wichtige
Stadt-Umlandfunktion zu tragen haben, müssen auskömmlich über den kommunalen
Finanzausgleich finanziert werden, damit diese die ihnen obliegenden
vielfältigen Aufgaben - auch für das Umland - bedarfsgerecht erbringen können."
Suhls Oberbürgermeister André
Knapp erklärte: „Die Stadt Suhl begrüßt das Gutachten grundsätzlich, kann
jedoch nicht vorbehaltlos zustimmen. Ein Haushaltsausgleich wird trotz
steigender Schlüsselzuweisungen weiterhin nicht möglich sein. Das Land hat im
Rahmen des allgemeinen Finanzausstattungsgebotes dafür zu sorgen, dass die
Kommunen als Träger der Selbstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen können. Deshalb
muss noch stärker als bereits mit dem vorliegenden Gutachten geschehen, eine
sachgerechte und transparente Ermittlung der tatsächlichen Finanzbedarfe und
deren Gewichtung erfolgen. Durch die mit dem Gutachten vorgenommene Berechnung
werden die kreisfreien Städte der Kategorie Mittelzentrum mit Teilfunktion
eines Oberzentrums schlechter gestellt, als kreisangehörige Kommunen, die
Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums sind. Darüber hinaus müssen
Regelungen zur Finanzierung bestehender „Sonderbedarfe", die aus der Historie
einer Stadt resultieren und für eine ganze Region bedeutsam sind, wie z.B.
Museen, Tierparks oder Kultur- und Kongresszentren ergänzt werden, um
Haushaltsdefizite auszugleichen, die die Kommunen aus eigener Kraft auch unter
größten Konsolidierungsbemühungen nicht ausgleichen können."
Stadt
Erfurt | gez. OB Bausewein
Stadt
Gera | gez. OB Vornab
Stadt
Jena | gez. OB Dr. Nitzsche
Stadt
Suhl | gez. OB Knapp
Stadt
Weimar | gez. OB Kleine
Stadt
Eisenach | gez. OB'in Wolf
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