In
diesem Jahr jährt sich die friedliche Revolution 1989 zum 30. Mal. Gute Gründe
für die seit 1988 verbundenen Partnerstädte Suhl und Würzburg, gemeinsam mit
der Akademie Frankenwarte in einer besonderen Veranstaltungsreihe, die durch
die Bundestiftung Aufarbeitung gefördert wird, den damaligen Ereignissen
nachzuspüren.
Zum Auftakt „Erinnern - woran und wofür?" machte sich am 18. Juni
eine bunte Würzburger Gruppe mit Stadträtin Jutta Henzler auf den Weg nach
Suhl. Richtung Rathaus ging es auf dem Steinweg entlang, jener Straße, die am
15.11.1989 Schauplatz einer entscheidenden Großdemonstration wurde. Im gut
gefüllten Saal begrüßte Suhls Oberbürgermeister André Knapp die Interessierten
aus beiden Städten - im Sommer 1989 wäre eine solch offene Begegnung noch
absolut undenkbar gewesen.
Der mutige Einsatz jener Menschen, die sich seit den frühen 80er Jahren
in oppositionellen Gruppen und Friedenskreisen engagierten und mit vielen
weiteren im Herbst 1989 auf die Straßen gingen und demonstrierten, machte die
deutsche Einheit 1990 erst möglich. Wer demonstrierte damals in Suhl, was waren
die Ziele und wie bewerten die Beteiligten die heutige Situation? Mit einem
Foto der Demo vom 15.11.1989 suchte die Stadt Suhl via Presseaufruf nach
beteiligten Personen, von denen drei auf dem Podium mit Moderatorin Romy
Köhler, Politikwissenschaftlerin aus Berlin, berichteten. Bei Markus waren es
die Eltern, die den damals 10-Jährigen mit zur Demo nahmen. „Komm mit, da geht
es um Deine Zukunft!" so stand es dann auch auf dem vorbereiteten Plakat. Fred
entdeckte sich auf dem Foto, damals 22 Jahre alt. Durch ein christliches Umfeld
geprägt, engagierte er sich bereits in der Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen"
und war eigentlich immer dabei, wenn es Protestmöglichketen gab. Für ihn stand
die Losung „Keine Gewalt!" besonders im Fokus, denn als Eisenbahner beobachtete
er nachts die Mobilmachung der Kampftruppen. Brigitta war schon lange in der
Umweltbewegung engagiert und gut mit anderen oppositionellen Gruppen vernetzt.
Doch auch sie als Mitorganisatorin war von dem bewegenden Demonstrationszug der
25 000 überwältigt. Dann folgten die Stadthallengespräche und es war, „als
würde ein Deckel gehoben". Und heute? „Unsere Ziele von damals haben wir
erreicht: Demokratie, freie Wahlen, Reisefreiheit. Wir haben den Geheimdienst
aufgelöst und die Aufarbeitung der SED-Diktatur erkämpft, so Brigitta Wurschi."
Wünsche für die Zukunft? „Mehr Umweltschutz und weniger Neokapitalismus," da
ist sich das Podium einig. Besonderen Applaus erntete der Vortrag von Frau
Prof. Dr. Ilse Nagelschmidt aus Leipzig, die unter dem Titel: „Die wilden Jahre
sind vorbei. Zwischen Aufbruch, Utopieverlusten und Gestaltungsmöglichkeiten im
Osten Deutschlands" auf Einladung der thüringer Landeszentrale einen zugleich
informativen wie bewegenden Überblick über die vergangenen 30 Jahre gab. Ihre
Appelle an das Publikum: „Fahren Sie mit offenen Augen durch Ost-Deutschland
und erinnern Sie den Mut von damals. Wir müssen unsere Demokratie weiter
gestalten und dazu brauchen wir Ost-West-Debatten auch 30 Jahre nach dem
Mauerfall." Das Publikum wurde angeregt, über den Stellenwert von Erwerbsarbeit
nachzudenken und über die Bewertung von Lebensbiografien, über politische
Beteiligung und Gründe für einen gesellschaftlichen Rechtsruck. Natürlich
bleiben an einem solchen Abend viele Fragen offen, weshalb es vom 11. bis
14.11.2019 ein „Demokratie-Labor" in der Akademie Frankenwarte Würzburg geben
wird. Die beiden Partnerstädte und die Akademie laden mit Unterstützung der Stiftung
Aufarbeitung herzlich dazu ein. Programm und Hinweise unter: www.frankenwarte.de oder 0931/80464-342
Fotos: Stadtverwaltung Suhl
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